Die dreiste Glosse< Zurück 28.11.2011
Von Max Werschitz
Ob Verstörung oder Fischstäbchen, Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Ist die vierte und vorletzte Verfilmung von Stephenie Meyers selbsttherapeutischem Roman(zen)epos einfach nur der vorläufige Höhepunkt eines literarischen Autounfalls oder steckt gar mehr dahinter?
Ja, ich habe es getan. Ich habe tatsächlich Breaking Dawn gesehen. Nicht nur weil ich einer Freundin versprochen hatte ihn mit ihr anzuschauen (ein Schicksal das ich mit grob geschätzten 99% der männlichen Kinogeher geteilt habe), sondern weil ich schlicht und einfach neugierig war. Insofern ist die gesamte Twilight-Saga ja eher so etwas wie ein Autounfall: man will nicht hinsehen, muss aber einfach.
Und Breaking Dawn Teil 1, die vierte und vorletzte Ausgabe der auf Stephenie Meyers Mormonenpornos, äh, Teenie-Romanen basierenden Filmreihe, ist tatsächlich ein Unfall. Habt ihr euch schon mal gefragt was rauskommen würde wenn eine Liebesschnulze und ein Horrorfilm frontal zusammenkrachen? Genau. Diese einhundertundsiebzehn gehirnerschütternden Minuten, der Großteil davon substanzlos aufgeblasen wie ein Airbag.
Die ersten zwei Drittel des Films entsprechen genau dem was wir an den Vorgängern kennen- und hassen gelernt haben: die (Fortsetzung der) triefend schmalzigen Liebesgeschichte zwischen Edward und Bella. Oder eigentlich zwischen Jacob, Edward und Bella, schließlich ist letztere zwar leichenblass und lähmend langweilig, aber eine wahre Meisterin in der passiv-agressiven Manipulation ihrer Mitmenschen – oder in dem Fall, Mitvampiren und Mitwerwölfen. Als sie jedoch zur Überraschung aller schwanger wird (Untote haben eine intakte Spermienproduktion? die glitzern dann aber wenigstens auch so schön wie Edwards Haut, oder?) nimmt das Geschehen und damit der Film eine kompromisslose Wendung. Das Hybridvampirbaby in Bellas Bauch beginnt rasant zu wachsen, bricht ihr dabei die Rippen, und saugt ihr konsequent Nährstoffe und Lebensenergie ab. Kurz bevor sie endgültig so aussieht wie Gollum aus Herr der Ringe hat ausgerechnet Jacob die rettende Idee, und Edward gibt nicht nur Bella ihr erstes von vielen Achterln Blut im Pappbecher samt Trinkhalm aus, sondern serviert dem Kinopublikum damit auch eine von vielen unfreiwillig komischen Szenen. Doch spätestens bei der Geburt bleibt dann selbst dem ironiefähigsten Zuseher das Lachen im Halse stecken: als das Skalpell beim versuchten Kaiserschnitt versagt muss der frischgebackene Ehegatte das beuschelspritzende Werk mit den Zähnen (!) vollenden und so den kleinen Satansbraten ans Licht der Welt zerren. Bella darf dann aufgeschlitzt daliegend kurz das bluttriefende Baby bewundern, bis ihr Kreislauf schließlich endgültig aufgibt und ihr Edward nach wirkungsloser Herzmassage eine halbmeterlange Spritze mit "seinem Vampirgift" in den Brustkorb jagt.
Breaking Dawn 1 befördert die Twilight-Reihe mit atemberaubender Schizophrenie in den Olymp der haarsträubenden Genremischungen. Aber versteht mich nicht falsch: das an sich ist nichts Schlechtes, es hat mich nicht gestört, sondern eher amüsiert. Oder zumindest weniger gestört als verstört – aber um ehrlich zu sein finde ich Stephenie Meyers Gesamtmachwerk generell verstörend, und das auf unzähligen Ebenen.
Ausser natürlich ich unterschätze die Dame gewaltig. Vielleicht sitzt sie jetzt irgendwo in ihrem Bibelwinkerl und lacht sich ins Fäustchen, weil sie die Härte hatte die von ihr in den ersten drei Teilen aufgebaute Handlung bis zur bitteren Konsequenz durchzuziehen. Denn Twilight ist wie ein Autounfall, ja; aber während ich noch im Kino saß schoß mir auch ein anderes Bild in den Kopf: das Ganze ist ein bisschen so als würde man Kinder mit einer Spur aus Gummibärchen auf der Straße in ein Haus locken um ihnen dort mit einem abgelaufenen Fischstäbchen eine ins Gesicht zu klatschen. Also da würde ich auch lachen, Stephenie.
Meine Wertung: |
|
Bei uns müssen Cineasten nicht fasten! Hier erwartet euch Filmkritik wie man sie sonst nirgends lesen kann. Rede- und pressefrei liefern euch die kleinen Kinomos unregelmäßig aber unangepasst Reviews, Previews, Feature-Mos und ein dreistes Etwas zu einem ausgewählten kulturellen Spezialbock, der irgendwo auf der Welt geschossen wurde.
Impressum:
'Der dreiste kleine Kinomo' ist die non-profit Blogging-Plattform des Dreistil Filmverein (Graz, ZVR 262411928).